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Joseph Roth. Rot und Weiss. Wanderer zwischen Städten

Mit einem Nachwort von Volker Breidecker
Die Andere Bibliothek

Es ist ein besonderer Band, denn er enthält die Fassung letzter Hand vom Text „Die weissen Städte“ (1925), die Schriften „Juden auf der Wanderschaft“ (1927) und „Das Autodafé des Geistes“ (1933), dazu ein außergewöhnlich sorgfältiges, hundert Seiten umfassendes Nachwort von Volker Breidecker, das eine lebhafte und erhellende Studie zu Roths Leben und Werk ist, „so klug wie kundig“, urteilt Klaus Nüchtern im Wiener „Falter“. Der sorgfältige Quellennachweis bestätigt die Qualität der Edition – man muss das erwähnen, weil Roth „ein Meister im Erzeugen von Legenden über sich selbst, im Legen falscher Fährten und im Verwischen der Spuren“ war. Und eine Anzahl historischer Fotografien! So ist man versucht, die Lektüre des „Nachworts“ vorzuziehen, weil es über Hintergrund, Kontext und Feinheiten der Schriften Roths sensibel aufklärt. Gerade angesichts der unendlichen Leichtvernebelungen seines Schreibens und seiner Existenz. Im Grunde sind es zwei Bücher, Roths Schriften und eine Werkbiographie Breideckers.
Roth ist darin ein Vor-Mund Schlögels, indem er in seinen Städtebildern vieles ahnungsvoll vorwegnimmt (Lemberg!), dem später Schlögels Interesse gilt! Roths Sprache enthält – Vorsicht! - viele Suchtstoffe, schreibt er nun über Galizien oder Südfrankreich. Die stilistische Eleganz, mit der er Avignon oder Lemberg beschreibt, ist verführerisch. Michael Maar meinte jüngst, seine Sprache sei „manchmal, ganz selten, nicht durch Ozeane getrennt vom Kitsch,“ unbestritten richtig! Selbst beim „Hiob“ (1930) trifft das zu ...
Wenn er über die „Juden auf Wanderschaft“ schreibt, kommt ihm ein Satz unter, der, kitschig oder biblisch, im Gedächtnis bleibt: „Es ist immer noch der Auszug aus Ägypten ... Man muss immer auf dem Sprung sein, alles mit sich führen, das Brot und eine Zwiebel in der Tasche, in der anderen die Gebetsriemen.“
Mit Joseph Roth und seinem Text über „Juden auf Wanderschaft“ durch die Ukraine zu gehen ist ein Weg zwischen Schmerzen und Klagen. Und doch – es muss sein! 1934 antwortete Roth auf eine diesbezügliche Umfrage, „dass der Dichter so wenig wie jeder andere ein Recht hat, keine Stellung zu nehmen zu der Unmenschlichkeit der Welt von heute.“ Und er führt aus, was ein Dichter zu tun hat: Mitgefühl für die Schwachen, Liebe zum Guten, Hass gegen das Böse, das auch laut und unzweideutig, also deutlich, zu verkünden.“ Deshalb wollen Menschen das Klassenzimmer im Gymnasium von Brody sehen. Und nachsinnen über den Satz: „You can take the boy out of Brody, but you can't take Brody out of the boy.“ Helmut Ruppel

322 Seiten
24 Euro