Gaito Gasdanow

Gaito Gasdanow. Schwarze Schwäne. Erzählungen
Ausgewählt, übersetzt und mit einem Nachwort von Rosemarie Tietze
Carl Hanser Verlag, 271 Seiten, 24€
Gaito Gasdanow. Nächtliche Wege. Roman
Aus dem Russischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Christine Körner
dtv Verlag, 288 Seiten, 10.90€
„Es gibt Bücher, denen man nur seine Liebe erklären kann. 'Schwarze Schwäne' ist so ein Buch“, diesen glückseligen Stoßseufzer (Juliane Liebert) kann man steigern mit dem Hinweis, dass es „nur“ neun Erzählungen sind von den 50 veröffentlichten, wir also 41 noch erwarten dürfen – wenn Rosemarie Tietze ihre Schatzgräberinnen-Arbeit fortsetzt! Ihre jeweiligen „Anmerkungen“ zu den neun Erzählungen sind kenntnisreich, literaturgeschichtlich einordnend, erhellen die Hintergrund und Entstehungssituationen, helfen bei philologischen Verstehensproblemen. Das Nachwort „Erlebtes und Erdachtes, Kurzprosa aus einer russischen Emigrantenwelt“ ist eine glänzende Einführung in Leben, Werk und Lebenswelt des Gaito Gasdanow, von dem die deutsche Literaturwelt zu ihrem eigenen Schaden so lange nichts wusste! Mit den, Sommergewittern gleich, in unsere Literaturwelt (und unsere Russlandbilder!) hereinbrechenden Romanen „Ein Abend bei Claire“ und dem „Phantom des Alexander Wolf“, gab es schon einen unerhörten Auftritt. Das Gesamtwerk enthält auch Erzählungen vom „Russischen Montparnass“, dem Montblanc der russischen Exil-Autoren in Paris der frühen zwanziger Jahre. Iwan Bunin, Marina Zwetajewna, später Vladimir Nabokov, kamen mit einem Namen -wer kannte Gasdanow? Er hatte zwar schon ein windungsreiches Leben hinter sich – Kindsoldat bei den „Weißen“, Abiturient in Bulgarien, hingebungsvoller Student und gleichzeitig Nachttaxifahrer in Paris, den Autorentreffpunkten „Grüne Lampe“ und „Nomadenlager“ (!) zugehörig – aber: wer kannte Gasdanow? Im „Verband russischer Chauffeure“ (1200 Mitglieder) kannte man ihn gewiss, aber literarisch? Erst der „Abend mit Claire“gab ihm (1929/30) einen Namen, später mit Nabokov im gleichen Atemzug erwähnt zu werden. Rosemarie Tietze erzählt und übersetzt, erläutert und betreut seine „Schwäne“ wie Christine Körner seine „Nächtlichen Wege“, einen Roman, aus dem auch 7 bis 9 Erzählungen komponiert werden könnten. Ihre Anmerkungen sind sehr hilfreich und ihr Nachwort machte sich exzellent als Vorwort: „Die fremde Stadt in einem fernen und fremden Land. Nächtliche Wege durch die Welt des Absurden.“ Wenn es Bücher gibt, denen man nur seine Liebe erklären kann, und die „Schwarzen Schwäne“ gehören gewiss dazu, sollten doch wenige Sätze darüber hinaus laut werden. Vielleicht aus der „Genossin Brack“, einer Frau, die in der falschen Zeit lebte, aber zu den Frauen gehörte, „die imstande seinen, eine Epoche zu verkörpern,“? Vielleicht aus den „Hawaiigitarren“, wo wir uns in einem Salon wiederfinden, der einer „vielleicht dreißigjährigen Dame“gehört, bei der man nach einer Beerdigung auf morastigem und nebligen Friedhof zusammensitzt und Champagner trinkt, „um zu vergessen.“ Vielleicht aus „Hannah“, wo es mit genial warmherziger Illusionslosigkeit heißt: „Mir gehörte das allerbeste, wovon ich nur träumen konnte. Hannahs warme Haut, ihre erstaunliche Stimme, ihre zärtlichen Hände. Das war einzigartig, war grandios, hatte nur den einzigen Nachteil, dass es Realität war.“ Helmut Ruppel