Warlam Scharlamow

Franziska Thun-Hohenstein
Das Leben schreiben. Warlam Schalamow. Biographie und Politik
Matthes & Seitz, Berlin 2022, 536 S., 38.00 €
Warlam Schalamow
Durch den Schnee. Erzählungen aus Kolyma I
Matthes & Seitz, Berlin 2016, 342 S., 22.00 €. Aus dem Russischen von Gabriele Leupold.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Franziska Thun-Hohenstein
Schalamows Leben – ein unerträgliches Leben in einer unbeschreiblichen Welt: Die Lagerhaft 1929–1931 und 1937–1951 ist schier unvorstellbar. Und er hat sich nicht brechen lassen. Und er hat sich nicht zum Opfer werden lassen. Und so hungrig nach Gerechtigkeit fing er an, als alles hinter ihm lag (nichts lag hinter ihm!), zu erzählen und Geschichten zu schreiben und nicht zu wissen, wer es denn wissen wollte. Da gab es die zermürbenden Zerwürfnisse und die wenigen stärkenden Freundschaften, vor allem immer wieder herzbewegend die Nähe zu Nadeshda Mandelstam!
Boris Pasternak war das Idol, doch Alexander Solshenizyn eine Belastung seiner Seele. Die deutlichen Zeichen einer Restalinisierung im gegenwärtigen Russland und der damit einhergehenden Tabuisierung der Erinnerung – die Liquidierung von Memorial ist einfach fürchterlich! - lassen einen den Atem anhalten beim Lesen von Frau Thun-Hohensteins großem und mutigem Versuch, „das Lager zu erzählen“. Ihre Studien im Lande selbst wären heute reine Illusion. Das macht die Quellenfrage noch quälender, denn es steht noch dahin, wie viel wir wissen. Im Nachwort zu den „Erzählungen aus Kolyma I“ führt Thun-Hohenstein in Schalamows Leben und Werk ein und gibt ihm das Schlusswort: „Warum das Lagerthema? Das Lagerthema … ist die größte, die Kernfrage unserer Epoche. Ist denn die Vernichtung des Menschen mit Hilfe des Staates nicht die Kernfrage unserer Zeit, unserer Moral, die in der psychologischen Verfassung jeder Familie Spuren hinterlassen hat?“
Der Verlag hat dankenswerterweise Bildseiten und Glossare hinzugefügt, um einen ersten Schritt und einen ersten Blick in die Welt des Warlam Schalamow und der Lager zu eröffnen. Helmut Ruppel