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Ute Frevert. Mächtige Gefühle. Von A wie Angst bis Z wie Zuwendung. Deutsche Geschichte seit 1900

S. Fischer Verlag
Läge es jetzt nicht vor, man hätte darum bitten müssen, denn nicht nur Titel wie „Krebs fühlen“ von Bettina Hitzer oder „Republik der Angst“ von Frank Biess oder die rasch auftauchenden Arbeiten jeglicher Couleur zur Virus-Krise zeigen, wie mächtig wir alle zur Zeit durchgeschüttelt werden von Empfindungen, Ängsten, Schocks und Verunsicherungen. Je mehr von coolness geredet wird, je erstrebenswerter cool zu sein scheint, desto allmächtiger scheint sein Gegenteil uns zu dominieren.
Angesichts der Corona-Leugnung und ihrer verwirrten Deutungen erscheint der Klageruf: „Was hat die Menschheit seit 100 Jahren gelernt?“ nachvollziehbar. Es kann gut sein, dass das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung gebeten werden muss, einen Forschungsbereich zu eröffnen: Die Macht der Dummheit“.
Gefühle zeigen, Gefühle nicht zeigen – im Nu ist ein Lebenslauf, eine Karriere, eine Wahl, ein Urteil entschieden. Ute Frevert hat zwanzig „Mächtige Gefühle“ herausgestellt und ist ihnen in der deutschen Geschichte nachgegangen – ein großes Magazin, dessen Fächer reich gefüllt sind und dienach Erfahrung und Interesse mit Zitaten, Kontexten und Bildern geöffnet werden können – der Ausstellung mit zwanzig großen Tafeln gleich. Meine Neugier richtete sich zuerst auf Hass, Wut, Stolz und Neid, um politische Phänomene hier und anderswo besser in den Blick zu bekommen. Demut, Geborgenheit, Solidarität, Vertrauen, Zuneigung, Freude werden in der deutschen Geschichte seit 1900 mit ihren erschreckenden Ambivalenzen entfaltet. Die restlichen seien genannt: Angst, Ehre, Ekel, Empathie, Hoffnung, Liebe, Neugier, Nostalgie, Scham und Trauer.
Jedes dieser Gefühle füllte Regale, nähmen wir weitere Ebenen dazu wie Bildende Kunst und Musik. In einer bekömmlichen didaktischen Reduktion (!) breitet die Autorin einen Fächer der Gefühle aus, der zum Weiterlesen, zum Gespräch-Eröffnen, zu seminaristischer Runde im freundlichen Kreis einlädt. Über fünfzig Seiten Anmerkungen erweitern und vertiefen die historischen Anstöße. Eins sei noch angemerkt: Ist „Guernica“ von Pablo Picasso das Bild des 20. Jahrhunderts für Europa, so das Photo des knienden Willy Brandt im ehemaligen Warschauer Ghetto das Gefühls-Bild der Deutschen Geschichte seit 1900. Helmut Ruppel
 
496 Seiten
28 Euro